www.losland.org

Online-Beteiligung in Varel

Online-Beteiligung in Varel: Auch online sind konstruktive und sachliche Diskussionen möglich

In der Stadt Varel wurde im Rahmen des LOSLAND Projektes zur Bürger*innen-Partizipation nach der Sitzung des Bürgerrates und der Debatte im Zukunftsforum mit der Online-Beteiligung noch eine dritte Stufe eingezogen. Auf dieses Vorgehen hatte sich die Losland-Organisationsgruppe, in der auch Vertreter aus Stadtrat und -verwaltung mitgewirkt haben, zu Beginn des Verfahrens verständigt. Ziel war es, die Möglichkeit zur Teilnahme möglichst breit zu halten – am Ende hatten so alle Varelerinnen und Vareler die Gelegenheit, sich zur Ausgangsfrage, mit der sich zunächst der Bürgerrat befassen wollte, zu äußern.

Buchstäblich war mit Einstieg in die Online-Beteiligung einige Stunden Handarbeit gefragt, an Tastatur und Maus nämlich, als es galt, die Ergebnisse nach dem Zukunftsforum als Vorlage für die Online-Beteiligung bereitzustellen. Alle Wandposter, die bei der Veranstaltung in der Halle des Vereinshauses Weberei vorgestellt und dann um weitere Anregungen auf bunten Klebezettelchen ergänzt worden waren, mussten nun unter Verwendung der Beteiligungssoftware CONSUL in eine Webseiten-Form gebracht werden. Glück für das Team bei der Stadt Varel: Diese Aufgabe übernahm Student Alexander Gerdes, der just während der heißen Phase des LOSLAND Projekts im Rahmen seines Studiums der Politikwissenschaft ein Praktikum bei der Stadtverwaltung absolvierte und mit großem Interesse und ebenso großem persönlichen Einsatz das LOSLAND Projektvin Varel begleitete.
Innerhalb weniger Stunden war das Übertragen der bis dato überwiegend mit Filzschreiber festgehaltenen Diskussionsergebnisse in ein übersichtliches, nach Themenfeldern sortiertes Onlineboard erledigt. Programmierkenntnisse im engeren Sinne waren dafür nicht erforderlich, für das Einarbeiten der Inhalte in die Module der CONSUL-Software gab es eine intensive Einarbeitung durch Jonas Korn vom LOSLAND Projektteam.  Kleine „Bugs“ galt es dann kurz vor Kickoff noch zu beheben. Einige Stunden nach Freischaltung der Seiten war aber Vollständigkeit hergestellt.

Eine große Sorge nach Freischaltung der Beteiligungsseite war dann die Frage, ob überhaupt noch Interesse an einer weiteren Diskussion besteht, zumal sich die Teilnehmenden auch kurz mit einer E-Mail-Adresse registrieren mussten, um einen Kommentar zu hinterlassen und an der Abstimmung teilzunehmen. Denn mit „Daumen hoch“ (oder runter) konnten im Rahmen der Onlinebeteiligung auch die Beiträge anderer bewertet werden. Diese Hürde gibt einerseits eine zusätzliche Sicherheit, was etwaige, sich in Anonymität verschanzende „Fundamentalmeckerer“ betrifft, bildet aber auch ein Hemmnis für jene, die nur schnell im Vorbeiklicken einen konstruktiven Satz dalassen möchten.

Eine zweite Sorge war, dass einige Teilnehmende nun doch noch die Möglichkeit nutzen würden, anonym oder unter falschem Namen unsachliche Beiträge zu platzieren, zu meckern oder einzelne Beiträge oder Nutzer*innen verächtlich zu machen.

Spoiler: Beide Sorgen erwiesen sich als unbegründet. Schon nach weniger als einer Stunde gingen die ersten Benachrichtigungsmails zu neuen Beiträgen ein, die natürlich sofort – anfangs noch mit erhöhtem Puls – gegengelesen wurden. Alle Beiträge waren dabei übrigens sofort online, eine zusätzliche „Freischaltungsstufe“ war nicht eingezogen. Von der Möglichkeit, Beiträge zu moderieren oder gar zu löschen, musste bei der gesamten Beteiligung mit rund 70 Beiträgen und Kommentaren dann aber kein Gebrauch gemacht werden.

Drei Feststellungen konnten während der gut zweiwöchigen Online-Beteiligung getroffen werden:

  • Die Handlungsempfehlungen und Kernbotschaften fanden großen Zuspruch und wurden insgesamt bestätigt.
  • Die Nutzer*innen pflegten auch in der Online-Diskussion einen sachlichen und konstruktiven Austausch, es wurden wertvolle, ergänzende Hinweise zu den vier Themenfeldern eingebracht.
  • Bei der Online-Beteiligung nahmen Personen teil, von denen einige zu den – und das ist ausdrücklich keine abwertende Zuordnung – „üblichen Verdächtigen“ aus der Stadtgemeinschaft zählen. Personen, die sich aufgrund ihres Engagements oder ihrer damit einhergehenden Funktion etwa in Vereinen oder Bürgerinitiativen auch in anderen Zusammenhängen öffentlich äußern, die nun aber beim via Zufallsprinzip gelosten Bürgerrat zunächst mal außen vor waren.

Darin liegt zurückblickend dann auch ein besonderer Gewinn des in Varel angewandten Beteiligungsmodells: Durch die zufällig gewählten Teilnehmenden des Bürgerrates werden Menschen in den Prozess geholt, die sich sonst vielleicht nicht zu Wort melden oder sich womöglich – bisher – für Themen der kommunalen Gemeinschaft kaum oder gar nicht interessieren. Im Rahmen der Onlinebeteiligung haben dann aber auch eben jene die Möglichkeit, Anregungen einzubringen, deren Beiträge (im besten Fall) angesichts einer schon länger währenden Befassung mit Themen oder Strukturen stärker abgewogen und von höherer Detailkenntnis geprägt sind.
Ob nun das eine oder das andere Beteiligungsformat, oder beide im Paket: Zur Nachahmung und Wiederholung sind sie aus Vareler Sicht allesamt unbedingt empfohlen.

Michael Tietz, Pressesprecher der Stadt Varel